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Welche Rolle spielt die Bürgerenergie in unserer 'Energiewende'?

#StopUngleichheit

18.07.2018 |





#StopUngleichheit
Das Bündnis Bürgerenergie zu SDG7 - Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger & moderner Energie für Alle


Marco Gütle, Projektmanager BBEn


Mit dem siebten Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen soll der Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle gesichert werden. Inwiefern haben wir dieses Ziel in Deutschland schon erreicht?

Wenn es um bezahlbare Energie für alle geht, dann lässt sich sagen, dass der Strompreis für einige in Deutschland zu hoch ist. Energiearmut ist hier das Schlagwort. Da sind wir also noch nicht ganz am Ziel, wobei sich in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern die meisten Menschen den Strompreis leisten können. Einige Stromversorger sind auch dazu übergangen, ‚Prepaid-Strompakete’ anzubieten, um Verbrau- cher*innen eine bessere Planung zu ermöglichen.

Bei der Verlässlichkeit der Stromversorgung in Deutschland erzielen wir laut Bundesnetz-agentur, die mit Hilfe der Daten der Netzbetreiber Versorgungsunterbrechungen ermittelt, jedoch Rekordwerte. 

Von nachhaltiger Energie können wir allerdings erst sprechen, wenn sie 100% erneuerbar ist, und da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Auch wenn wir uns im Stromsektor hin zu mehr Erneuerbarer Energie bewegen, gibt es im Wärme- und Verkehrssektor noch viel zu tun.

Welche konkreten Lücken existieren noch?

Im Stromsektor müssen wir noch viel schneller werden - die Energie muss bis zum Jahr 2050 zu 100% aus Erneuerbaren gewonnen werden, bis zum Jahr 2030 mindestens zu 65% aus Erneuerbaren. Wir brauchen mehr Anstrengungen in den Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien, und müssen im Wärmesektor überhaupt erst einmal anfangen und darüber nachdenken, wie wir in der kalten Jahreszeit emissionsfrei unsere Häuser geheizt bekommen. Im Wärme- und Verkehrssektor ist es offensichtlich, dass der politische Wille für eine Wärme- und Verkehrswende fehlt. Bei einer Wärmewende müsste man so ambitioniert vorgehen, dass Investitionen von Miet-hausbesitzer*innen so organisiert werden, dass es sich nicht auf die Miete schlägt, um einem Dilemma aus Sicht einer mieterfreundlichen Umweltpolitik zu entgehen. 

Ähnlich im Verkehrssektor, hier gibt es auch noch sehr großen Handlungsbedarf, und dabei geht es nicht nur um Elektroautos, sondern auch darum, dass wir seit 1990 aufgrund verschiedener Entwicklungen wie dem SUV Boom und aktiven politischen Entscheidungen bspw. zu Grenzwerten, die wir auch versuchen auf europäischer Ebene zu blockieren, überhaupt keine Energie eingespart haben. Bei den Emissionswerten sind wir also noch komplett am Anfang. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist ohnehin absolute Voraussetzung für eine nachhaltige Energieversorgung im Verkehrssektor, und hier gibt es noch fast eine 100%ige Lücke.

Laut deutscher Nachhaltigkeitsstrategie erfolgt die nationale Umsetzung des SDG7 mit der Energiewende. Welche Rolle spielt die ‚Bürgerenergie’ für die Energiewende?

Bürgerenergie war, ist und soll ein Kernstück der Energiewende sein. Wenn wir uns den Stromsektor anschauen, könnten wir überspitzt sagen, dass die Bürgerenergie die Energiewende erfunden hat. 

Bürgerenergie: Bewegen. Gemeinsam. Vor Ort. Quelle: Bündnis Bürgerenergie e.V., Jörg Farys.

Denn, die großen Akteure hatten lange kein Interesse daran, erneuerbare Energie zu produzieren, und selbst die relativ guten Förderbedingungen, die es durch die letzten EEGs (ErneuerbarenEnergieGesetz) gab, zu nutzen. Hingegen haben sehr viele kleine Akteure von dieser Förderung Gebrauch gemacht, und die Energiewende mit PV Anlagen auf ihren Dächern und mit Bürger-Windrädern vorangetrieben. Energiebürger*innen haben dafür gesorgt, dass ein Markt für erneuerbare Energietechnologien entstanden ist, und somit die Preise für diese Technologien und Komponenten wie bspw. Wechselrichter massiv nach unten getrieben. 

Im Jahr 2012 haben wir eine Erhebung mit beauftragt, die aufzeigt, dass ca. 50% der installierten Kapazität der Erneuerbaren im Stromsektor in der Hand der Bürger*innen liegt. Das ist u.a. aufgrund von politischen Entscheidungen in den letzten Jahren etwas zurückgegangen. Allerdings sind wir der Meinung, dass wir die gesetzten Ziele im Energiesektor nur mit dem Engagement der Bürger*innen und nicht technokratisch erreichen. Denn, die Energiewende erfordert eine Umstellung der ganzen Gesellschaft und benötigt daher auch neue Formen der Energienutzung, die im Interesse der Einzelnen, der Bürger*innen vor Ort liegen, und sie Bezug haben zu ihren Anlagen, die sie vor Ort bauen. Die Debatte um mangelnde lokale Teilhabe an Windrädern – von einigen verkürzt als mangelnde „Akzeptanz“ beschrieben – ist hier sehr präsent. Beispielsweise haben wir mit der 10H-Regelung in Bayern gesehen, dass gegen die Windkraft Politik gemacht wird. Hier hat die bayerische Energiepolitik lokale Diskussionen um Windräder zum Anlass genommen, den Windkraft-Ausbau komplett lahmzulegen.

       

Bedeutung der Akzeptanz für die Energiewende. Quelle: Bündnis Bürgerenergie e.V.


Wie kann die Bürgerenergie bestehende Lücken im Hinblick auf Chancen- und Geschlechter-gleichheit im Energiesektor in Deutschland schließen und auch das Thema Energiearmut aufgreifen

Sozioökonomische Betrachtungen von Bürger-energieprojekten zeigen, dass sich bisher eher ältere, wohlhabendere und männliche Personen beteiligen. Wir sehen jedoch das Potential in der Bürgerenergie, dass die Beteiligung auch breiter wird und dass, wenn die Bedingungen stimmen, es auch von Gruppen genutzt werden kann, die bisher nicht im Fokus standen. 

Ein Beispiel ist der sogenannte Mieterstrom, wobei nicht nur Eigenheimbesitzer Anlagen bauen und für den Eigenverbrauch nutzen dürfen, sondern auch Haushalte profitieren, ‚die kein eigenes Dach haben und sich unter einem Dach einmieten’. Die Partizipation ökonomisch benachteiligter Haushalte wird jedoch bisher nicht sichergestellt. Auch das Thema Gender ist im Energiesektor weiterhin ein Problem. Doch solange die Energieerzeugung eine Spezialisten-Domäne bleibt, wird es auch künftig schwierig sein, alle Menschen einzubeziehen. Während es natürlich auch um Informationsbereitstellung und Aufklärung geht, muss es vor allem noch ökonomisch sinnvoller werden in die Energieversorgung einzusteigen und bspw. als Genosse und Genossin die Mieterstrommodelle zu unterstützen, weil diese günstigeren Strom anbieten als lokale Versorger.  


Das gesamte Interview finden Sie hier.

 

  

Die Kampagne #StopUngleichheit wird von der Europäischen Union finanziell unterstützt. Die inhaltliche Ausrichtung liegt jedoch in der alleinigen Verantwortung von WECF e.V., sie gibt unter keinen Umständen die Positionen der Europäischen Union wieder.

 


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