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Müssen auch in Deutschland Menschen hungern?

#StopUngleichheit

14.06.2018 |





#StopUngleichheit
FIAN Deutschland zu SDG 2 - Hunger beenden, bessere Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft
 

Gertrud Falk, 
Referentin von FIAN Deutschland

Warum ist SDG 2 relevant in Deutschland, wen betrifft es am meisten und haben wir Fortschritte seit Beschluss der Agenda 2030 gemacht? 
In Deutschland nehmen rund 1,5 Millionen Menschen das Angebot von über 930 Tafeln in Anspruch. Davon sind 53% Erwachsene, oft EmpfängerInnen staatlicher Sozialleistungen, je 23% Kinder und RentnerInnen sowie 19% Alleinerziehende. Dies macht deutlich, dass auch in Deutschland Menschen auf Wohltätigkeit angewiesen sind, um sich ausreichend ernähren zu können. Dabei ist angemessene Nahrung ein Menschenrecht und Deutschland hat sich mit der Ratifizierung des UN-Sozialpakts dazu verpflichtet, dieses Menschenrecht zu verwirklichen. Dass in einem reichen Land wie Deutschland Menschen auf Nahrungsmittelspenden angewiesen sind, zeigt, dass es sich um ein politisches Problem handelt. Denn Nahrung ist zwar im Überfluss vorhanden, aber nicht alle haben ausreichend Zugang zu ihr. So sind Sozialleistungen und Renten zum Teil zu gering oder die Maschen des sozialen Netzes zu groß. Das ist politisch gemacht und gewollt.

Die deutsche und europäische Agrarpolitik fördert vor allem die industrielle Landwirtschaft, die auf den großflächigen Anbau in Monokultur, die Massentierhaltung und Import von Tierfutter setzt. Das widerspricht ökologischen Erkenntnissen und trägt zum Klimawandel bei. Darüber hinaus ist durch die gerade genehmigte Übernahme des Saatgutkonzerns Monsanto durch den Chemiekonzern Bayer die weitere Abkehr von agrarökologischen Ansätzen im Ernährungssektor zu befürchten. 

Deutsche Politik trägt darüber hinaus auch in anderen Ländern dazu bei, dass Menschen hungern. Denn deutsche Entwicklungszusammenarbeit fördert Investitionen von Agrarkonzernen in Ländern des Globalen Südens, die zu Landvertreibungen der örtlichen Bevölkerung und infolge auch zu Hunger und Mangelernährung führen.

Welche Rolle spielen Frauen und Mädchen in Hinblick auf SDG 2 in Deutschland? 
Die Mehrheit der Alleinerziehenden sind Frauen. Und insbesondere Frauen bekommen aufgrund niedriger Löhne und langen Zeiten ausschließlicher familiärer Fürsorgearbeit oft nur sehr geringe Renten.

Mit welchen Aktivitäten versucht FIAN die Agenda 2030 und v.a. SDG 2 in Deutschland (und in denen von FIAN aktiven Ländern) zu erreichen? 
Wir sind Mitglied im „Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum“ (http://www.menschenwuerdiges-existenzminimum.org/) und melden uns mit dem Bündnis auf politischer Ebene zu Wort: wir treten für die Abschaffung des  Asylbewerberleistungsgesetzes ein, und haben den UN-Sozialausschuss auf Verletzungen des Rechts auf Nahrung in Deutschland durch Privatisierung von Nahrungsmittelhilfe durch die Tafeln hingewiesen. Der Ausschuss untersucht im September die Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte in und durch Deutschland. 

Anhand konkreter Fallbeispiele weisen wir die Bundesregierung und staatliche Entwicklungsorganisationen darauf hin, wo und wie ihre Politik und Maßnahmen in anderen Ländern zu Hunger führen. Zum Beispiel durch die finanzielle Förderung von Agrarinvestitionen deutscher und internationaler Konzerne in Sambia und Paraguay, in deren Folgen kleinbäuerliche Gemeinden von ihrem Land vertrieben wurden; oder durch die politische Rückendeckung eines deutschen Kaffeeunternehmens, zugunsten dessen Plantage in Uganda rund 4.000 Menschen gewaltsam vertrieben wurden ohne dafür entschädigt zu werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Politik entsprechend zu korrigieren und den betroffenen Menschen Zugang zu Beschwerdeverfahren und zum deutschen Justizsystem zu ermöglichen, damit sie ihr Menschenrecht auf Nahrung und Wiedergutmachung auch juristisch vom deutschen Staat einfordern können. 

Gibt es Aktivitäten, mit denen FIAN insbesondere Frauen fördert?
Wir untersuchen die Folgen von Landvertreibungen nicht nur allgemein, sondern auch speziell für Männer und Frauen. Aufgrund der Rollenzuschreibung als Versorgerinnen der Familien sind Frauen meist weniger mobil als Männer und können den Folgen von Landvertreibungen weniger ausweichen. Darauf weisen wir hin und fordern geschlechtersensible Wirkungsanalysen vor Investitionsprojekten. Darüber hinaus weisen wir in unseren Veröffentlichungen auf die besondere Rolle von Frauen für die Welternährung hin.

Was kann jede(r) von uns als Bürger(in) tun, um zur Umsetzung des SDG 2 beizutragen?
JedeR von uns hat eine politische Stimme und die sollten alle für die Beendigung staatlicher Diskriminierungen und Ausgrenzungen und für eine agrarökologische Landwirtschaft einsetzen. Das geht am besten in einer Gruppe oder Organisation, in der man mitarbeitet oder deren Aktionen man unterstützt. Dazu gehören die Beteiligungen an Petitionen und Demonstrationen. Man kann Bundestagsabgeordnete des eigenen Wahlkreises oder entsprechender Bundestagsausschüsse anschreiben und um Stellungnahme bitten. 

Welche konkrete Forderung hat FIAN an die Politik, die zur Umsetzung des SDG 2 beitragen kann?
Gesetze und Verordnungen, die dazu führen, dass Menschen ihr Recht auf Nahrung nicht umfassend wahrnehmen können, müssen so geändert werden, dass dies für jedeN möglich ist. Die Umsetzung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum muss für alle hier lebenden Menschen gelten. Dazu gehören die Erhöhungen der SGBII-Leistungen sowie die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, dass das Recht auf Nahrung dieser Bevölkerungsgruppe deutlich einschränkt. 

Webseite: https://www.fian.de/

Hier geht es zum gesamten Interview.

Die Kampagne #StopUngleichheit wird im Rahmen des Projekts Make Europe Sustainable For All von der Europäischen Union finanziell unterstützt. Die inhaltliche Ausrichtung liegt jedoch in der alleinigen Verantwortung von WECF e.V., sie gibt unter keinen Umständen die Positionen der Europäischen Union wieder.


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