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Wie steht es um unsere Gesundheit in Deutschland?

#StopUngleichheit

20.06.2018 |





#StopUngleichheit
Das Nestbauprogramm zu SDG3 - Gesundheit und Wohlergehen für Alle


Johanna Hausmann,
Senior Policy Advisor und Projektmanagerin für Chemikalien und Gesundheit bei Women Engage for a Common Future (WECF)


Inwiefern ist SDG 3 relevant in Deutschland, und an welcher 
‚Problematik’ arbeitet das Nestbauprogramm? 

Gesundheit ist das höchste Gut, deren Schutz an oberster Stelle stehen sollte. Auch in Deutschland leiden viele Menschen an umweltbedingten Erkrankungen. Allergien sind dabei oft die augenscheinlichsten. Auch die Zunahme von Krebserkrankungen, neurologischen Störungen, Fruchtbarkeitsstörungen bei Männern und Frauen werden mit der Belastung durch Chemikalien in Verbindung gebracht. Jeder sechste Mann in Europa leidet unter einer verminderten Spermienqualität, was u.a. auf den Einsatz von Chemikalien wie Bisphenol A in Alltagsgegenständen wie Kunststoffgeschirr und Kassenbons zurückzuführen ist. Die Ergebnisse der Kinder-Umwelt-Survey aus den Jahren 2003 bis 2009 zeigen, dass bei 591 von 599 Kindern zwischen 3 und 14 Jahren BPA (Bisphenol A) im Blut gefunden wurde. 

Viele Erkrankungen werden bereits im Mutterleib oder in früher Kindheit angelegt; dies vorbeugend verhindern oder zumindest zu reduzieren, ist ein Ziel des Nestbauprogramms. Das europaweite Programm wurde ins Leben gerufen, weil viele Alltagsprodukte gesundheitsschädliche Chemikalien enthalten, die die Umwelt und Gesundheit schädigen können: fortpflanzungs- und erbgutschädigende Stoffe in Kinderspielzeug, krebserregende Chemikalien in Bratpfannen, hormonelle Schadstoffe in Babyschnullern oder Bodylotion und Pestizide in Lebensmitteln. Diese Substanzen können aus den Produkten entweichen und über die Atmung, die Haut oder die Nahrungskette in unsere Körper gelangen und die Gesundheit schädigen. Schwangere und Kinder sind besonders sensibel. 

    

Verschiedene Studien zeigen eine zum Teil hohe Belastung von Innenräumen zum Beispiel mit Weichmachern oder Formaldehyd, Stoffe, die aus verschiedenen Produkten entweichen. Gefährdet sind vor allem Babys und Kleinkinder, denn sie verbringen 90 Prozent ihrer Zeit in geschlossenen Räumen, Zuhause wie in Kindertageseinrichtungen, und sind wesentlich empfindlicher für Schadstoffe als Erwachsene. Deshalb sollten Babys und Kinder geschützt werden und auch Schwangere, weil sie die Schadstoffe, an ihre Kinder weitergeben. Im Jahr 2015 stellten Gesellschaften von Geburtshelfer(inn)en und Gynäkolog(inn)en aus 100 Ländern fest, dass beinahe jedes Kind bereits „schadstoffbelastet“ auf die Welt kommt und fordern die Politik auf, die Reduzierung von Schadstoff Expositionen als wichtige Maßnahme zur Krankheitsprävention einzustufen.


Welche Rolle spielt die Agenda 2030 für das Nestbauprogramm?

Nestbau informiert darüber, wie vor allem Kinder und Schwangere in ihrem unmittelbaren Umfeld vor Schadstoffen aus Produkten wie Spielzeug, Renovierungsartikel, Möbeln und Reinigungsmittel sowie vor Schimmelpilz und Passivrauchen geschützt werden können und im Alltag die Exposition gegenüber Schadstoffen reduzieren. Mit diesem Präventionsgedanken dockt Nestbau direkt an Agenda 2030 und an SDG 3, und auch an SDG 12 ‚Nachhaltiger Konsum’ an. In der weiteren Umsetzung des Nestbauprogramm in Zusammenarbeit mit Kommunen beispielsweise bei KITA Einrichtungen dient das Programm der Umsetzung von SDG 11. Umgekehrt wünschen wir uns, dass die Agenda 2030 und die entsprechenden SDGs, die Unterstützung unseres Nestbauprogramms beflügelt.


Wie versucht das Nestbauprogramm SDG 3 in Deutschland umzusetzen?

Im Zentrum unseres Nestbauprogramms steht unser Informationsportal www.nestbau.org. Diese Seite gibt konkrete Informationen zur Vermeidung von Schadstoffen im persönlichen Umfeld und wird kontinuierlich aktualisiert.

Sehr hilfreich sind unsere App „Giftfrei einkaufen“ und unsere Ratgeber zu verschiedenen Produktgruppen wie zu Textilien, Spielzeug und Reinigungsmitteln. Sie geben konkrete Tipps zum möglichst schadstofffreien Einkauf und für ein gesundes Leben.

        

Unser Fortbildungsangebot und unsere Workshops zu Schadstoffvermeidung im Alltag richten sich an Eltern, Kindertageseinrichtungen und Gesundheitsfachpersonal, wie Hebammen, Kinderärzt(inn)e(n), Gynäkolog(inn)en, Geburtshäuser und andere Interessierte.

Und um auf kommunaler Ebene das Bewusstsein für das Thema und eine Unterstützung durch Verantwortliche zu wecken, arbeiten wir in Berlin und München mit den lokalen Behörden. Hierbei geht es um die Unterstützung von Kampagnen für eine schadstofffreie, nachhaltige Beschaffung, die Vermeidung von schadstoffhaltigen Produkten in öffentlichen Einrichtungen. In Europa haben sich mittlerweile einige Städte wie Paris oder Madrid der Bewegung „EDC freie Städte“ angeschlossen. Sie versuchen durch gezielte Beschaffung und Anwendung, den Einsatz von Produkten, die hormonell wirksame Stoffe enthalten, zu verringern.


Gibt es weitere Aktivitäten, mit denen insbesondere Frauen gefördert werden?

In der Zusammenarbeit mit Frauengesundheitszentren und Arbeitskreisen zur Frauen-gesundheit stärken wir besonders das Wissen dieser Frauen zum Thema Auswirkungen von Umweltschadstoffen auf die Gesundheit. In Zukunft würden wir uns gerne verstärkt jungen Frauen zuwenden und beispielsweise mehr über Schadstoffen in Kosmetik- oder Hygiene-produkten informieren. Von diesen Schadstoffen sind Frauen besonders betroffen.

Wie können wir als Bürger(in) zur Umsetzung des SDG 3 beitragen?

Jede(r) kann in ihrem/seinem Umfeld, sei es Familie, Freundeskreis oder im Beruf das Bewusstsein für das Thema Schadstoffe in unserem Alltag stärken. Viele Menschen aus allen Gesellschaftsschichten wissen häufig nicht, dass z. B.

ihr Sofa oder auch Kinderschlafanzüge bromierte Flammschutzmittel enthalten, die das Hormonsystem stören können, aus Plastikdosen und Lebensmittelverpackung Bisphenol A und andere Stoffe entweichen können, oder Kosmetikprodukte, auch die für Kinder, Substanzen enthalten, die Allergien auslösen. Im Rahmen des Nestbauprojekts können Menschen viel dazu beitragen, SDG 3 umzusetzen, indem sie sich und andere informieren. 

Eine Möglichkeit ist natürlich, das eigene Konsumverhalten zu verändern und darüber zu sprechen. Weniger ist Mehr! Weniger Konsum, mehr Qualität, auf Bio Labels achten, Verpackungen und Plastik vermeiden. Einen guten Einstieg hierzu bietet die Plastikvermeidung, ein Thema, das im Moment in aller Munde ist. Nicht nur wegen des Müllbergs, den es zu vermeiden gilt, auch wegen der Inhaltsstoffe, die Plastik enthält. „Plastikfasten“ lässt sich in allen Bereichen des Lebens einbringen. Junge und werdende Eltern sind dazu besonders bereit, weshalb unser Nestbauprojekt hier ansetzt.

Es darf allerdings nicht sein, dass die Verantwortung für die Vermeidung von Schadstoffen beim Bürger / der Bürgerin bleibt. Wir sehen vor allem die Politik und die Industrie in der Pflicht. Hier können die Bürger(innen) sich an ihre Politiker(innen) wenden oder unsere Kampagnen für giftfreie Produkte und eine giftfreie Zukunft unterstützen. 2017 unterschrieben in Deutschland 150.000 Menschen eine Petition für mehr Schutz vor hormonell wirksame Substanzen. Als Konsument(innen) haben sie das Recht auf Information (Art. 43 REACH Verordnung). Händler müssen binnen 40 Tagen Auskunft darüber geben, ob ein Produkt bestimmte besorgniserregende Stoffe erhält. Menschen sollten davon Gebrauch machen und manchmal etwas nerven, damit sich Produktionsprozesse hin zu gesunden Produkten ändern, was direkt der Umsetzung von SDG 3 dient.
 

Welche konkrete Forderung hat Nestbau an die Politik, die zur Umsetzung der Agenda 2030 und des SDG 3 beitragen kann?

Wir fordern von der Politik, den Schutz der menschlichen Gesundheit vor Umweltschadstoffen vor das Profitstreben der chemischen Industrie zu stellen. Produkte wie Lebensmittel, Verpackungen, Kosmetik, Textilien, Spielzeug, etc., die wir täglich benutzen, müssen frei von gesundheitsschädigenden Chemikalien sein. 

Wir brauchen mehr Aufklärung zu dem Thema von „offizieller“ Seite. Kürzlich zeigte eine Eurobarometer Umfrage, dass zwei von drei EU Bürger(innen) aufgrund von Chemikalienexposition in ihrem Alltag, z.B. über Nahrungsmittel, Luft, Trinkwasser und Verbraucherprodukte, und am Arbeitsplatz, besorgt sind. Weniger als die Hälfte der gleichen Gruppe fühlte sich gut über potentielle Gefahren von Chemikalien informiert. Ein konkreter deutscher und europäischer Aktionsplan, dessen Ziel ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit, insbesondere für gefährdete Gruppen wie Kinder und Schwangere, und für die Umwelt, kann dazu beitragen. Dabei muss bedacht werden, dass Frauen häufig anders betroffen sind von bedenklichen Chemikalien. 

Grundsätzlich gilt: Die Politik muss im Sinne des Vorsorgeprinzips umwelt- gesundheitsgefährliche Chemikalien in Produkten des täglichen Bedarfs verbieten und dabei die Industrie in die Pflicht nehmen. 


Hier finden Sie das gesamte Interview.

  

Die Kampagne #StopUngleichheit wird von der Europäischen Union finanziell unterstützt. Die inhaltliche Ausrichtung liegt jedoch in der alleinigen Verantwortung von WECF e.V., sie gibt unter keinen Umständen die Positionen der Europäischen Union wieder.

 


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