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Was ist der Kick, den eine – letztlich unverbindliche – UN-Agenda geben kann?

#StopUngleichheit

20.09.2018 |





#StopUngleichheit

Ein Beitrag von Gabriele Köhler zur Agenda 2030 und SDG 16 – Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen

Gabriele Köhler
Entwicklungsökonomin,
Vorstand WECF e.V. und DGVN e.V.

Die Menschenrechte bilden das Fundament für eine gerechte und friedliche Welt, welchen Mehrwert erzielt die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen? 

Gute Frage, was ist der Kick, den eine – letztlich unverbindliche – UN-Agenda geben kann? 

Wir sehen doch verzweifelt, in wie vielen Ländern äußerste Brutalität statt der Menschenrechte herrscht. Mehr Menschen als je zuvor sind auf der Flucht, die Hälfte sind Frauen. Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen werden verfolgt, verhaftet, ermordet. Wir wissen, dass strukturelle Gewalt  - systematisiertes aber eher verdecktes Unrecht - auch die scheinbar friedlichsten Gesellschaften durchzieht, obwohl sie Gesetzen und Normen zuwiderläuft, vor allem, was die Rechte von Frauen, von Kindern, oder von ausgegrenzten Gruppen betrifft. 

Wir feiern heute 70 Jahre Allgemeine Menschenrechtserklärung. Wir haben die beiden UN-Pakte, zu sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten und zu bürgerlichen und politischen Rechten, und die Frauenrechtskonvention, die sogar verbindlich sind, und eigene Monitoringprozesse. Warum dann NOCH eine Agenda? 

Ich denke, die Agenda 2030 kann uns in zweierlei Hinsicht helfen. Sie stellt den fundamentalen menschenrechtlichen Anspruch in den Vordergrund, dass alle Menschen überall die gleichen Rechte haben. Zum anderen stellt sie klar, dass alle Länder Entwicklungsländer sind – also die Aufgabe haben, sich zu entwickeln. Beide Ansätze sind für Deutschland aktuell und höchst relevant, weil hier manchmal der Eindruck vermittelt wird, hier sei alles in Ordnung, und besser als je zuvor.


Warum spielt SDG16 auch in Deutschland eine wichtige Rolle?, was hat sich seit dem Beschluss der Agenda 2030 getan und wo gibt es noch die größten Lücken? 

Formaljuristisch ist in Deutschland viel erreicht. De facto aber gibt es ungeheuer viele Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die nach wie vor systemisch sind. Der Gleichstellungsbericht des Familienministeriums beispielsweise zeigt, wie es, auch ungeahndet, weiterhin Gewalt gegen Frauen gibt. Deutschland exportiert Waffen, sogar in Krisengebiete. Wir verhindern als Land nicht, dass Flüchtlinge ertrinken, und das Asylrecht aus der Menschenrechtserklärung wird Schritt für Schritt ausgehöhlt. 

Das alles ist offene Gewalt. 

Fremdenfeindlichkeit und Hass werden immer offener. Menschen, die anders aussehen oder anders glauben als die Mehrheit, werden nicht nur sozial ausgrenzt, sondern direkt verbal und teilweise tätlich angegriffen, wie gerade vor kurzem in Chemnitz. Jedes 5. Kind in Deutschland ist von Armut betroffen. Es ist für einkommensarme Schichten fast unmöglich, Familie und Beruf so zu vereinbaren, dass wir beidem gerecht werden und gedeihen, statt zu hetzen. Sorgearbeit – meist von Frauen getragen - wird nicht anerkannt, geschweige denn angemessen bezahlt.

Das alles ist strukturelle Gewalt.

Diese Ungerechtigkeiten widersprechen den Menschenrechten, und sind mit den Versprechen von SDG 16 unvereinbar! 


Was muss politisch geschehen, um mindestens eine dieser Lücken zu schließen? 

Auf zwei Ebenen muss viel passieren. SDG 16 ist kompliziert. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, die sich Punkt für Punkt auf die UN-Agenda bezieht, sieht eine „Politikkohärenz“ vor, aber das Bundeskanzleramt, obwohl federführend für die Strategie, setzt sich nicht durch. Damit unterläuft die Regierung letztendlich ihr eigenes Versprechen, die Agenda 2030, und auch das Ziel 16, umzusetzen. Denn alle Politikbereiche haben eine Auswirkung auf Frieden und soziale Gerechtigkeit. Um dies wirklich einzulösen, müssten alle Referate in allen Ministerien zusammenarbeiten, und die Zusammenhänge von Umwelt- und Sozialpolitik, oder von Handelspolitik und Entwicklungspolitik, oder von Deutschlands Umweltbelastung als eine der Flucht- und Migrationsursachen, analysieren. Man müsste anerkennen, wie sich vermeintlich progressive Ansprüche zum Teil gegenseitig aushebeln. Der Bundestag müsste die – zu Recht als ‚schwarz’ bezeichnete – angestrebte Null im Bundeshaushalt angehen, denn es gibt viele Bedarfe in Deutschland und international, die finanziert werden müssten. Seit Jahren fordert die Menschenrechtskommission, dass Deutschland Gender-Budgeting einführt – da könnten wir die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der öffentlichen Ausgaben sofort sehen.

Deswegen ist die zweite Ebene so wichtig: die Zivilgesellschaft und wir Bewohner*innen von Deutschland müssen durch politische und analytische Arbeit aufklären. Wir müssen durch Eingaben an den Bundestag, durch Petitionen und Bürgerbegehren, und durch Demonstrationen für friedliche und inklusive Gesellschaften kämpfen. Dabei können wir uns auf die Agenda 2030 und andere UN-Normenwerke beziehen. 


Wie unterstützen Sie die Umsetzung des SDG16 in Deutschland? 

Ich hoffe, dass meine Arbeit mit WECF und mit der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen einen kleinen Beitrag leistet?


Kann jede*r von uns einen Beitrag zur Umsetzung des SDG16 in Deutschland leisten? 

Ja, einmal dadurch, dass wir von diesem SDG erzählen. Es ist weniger griffig und weniger präsent als manche der anderen Nachhaltigkeitsziele. Zum anderen, dadurch, dass wir jeder Form von offener oder verdeckter Gewalt entgegentreten.

 

Hier finden Sie den Beitrag im PDF Format.

 

Agenda 2030 - Hintergrundinformation

Die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ wurde 2015 von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) verabschiedet, darunter auch Deutschland. Nach dem Motto „Niemanden zurücklassen“ will die Weltgemeinschaft mithilfe der Agenda die globalen Herausforderungen wie Armut, Hunger und Klimawandel bewältigen. Kern sind 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die bis 2030 erreicht werden sollen. 

Mit dem 16. Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen sollen friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglicht und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufgebaut werden. 

Die Kampagne #StopUngleichheit wird von der Europäischen Union finanziell unterstützt. Die inhaltliche Ausrichtung liegt jedoch in der alleinigen Verantwortung von WECF e.V., sie gibt unter keinen Umständen die Positionen der Europäischen Union wieder.

 


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